Elenas Liebeskummer
von Dirk Hoffmann
Elena legte den Kopf an die Stirn ihres treuen
Hengstes. Ihr Freund hatte sie verlassen. In ihrer Verzweiflung wusste sie
niemand, der ihr mehr Trost spenden konnte. Sunlight war immer für sie da.
“Ach Sunlight, wie kann Thomas nur so gemein sein?”,
schluchzte das Mädchen und streichelte dem Pferd mit der Hand die Wange.
Sunlight spendete Elena allein durch seine Anwesenheit Trost. Sie fühlte seine
wohltuende Wärme und seinen ruhigen Atem. Sunlight blies etwas Luft durch seine
Nüstern. Elena spürte, dass ihm bewusst war, wie schlecht es ihr ging. Geduldig
wartete Sunlight, was weiter geschehen würde.
ONsüd-Zeichnung: Dirk Hoffmann |
Elena schmiegte sich ganz eng an ihr Pferd und begann
zu weinen. Sunlight scharrte ein wenig mit den Hufen. Dem Mädchen stieg der
Pferdegeruch, den sie so liebte in die Nase. Sie entspannte sich und die Tränen
versiegten.
“Stell dir nur vor Sunlight, Thomas glaubt, ich würde
ihm fremdgehen. Wie kann er nur?”
Sunlight senkte den Kopf und knabberte an Elenas
Jacke.
“Tut mir leid, ich habe heute nichts dabei”, erklärte
Elena”, die sich denken konnte, dass er nach Zuckerstückchen oder ähnlichem
suchte. Normalerweise waren ihre Taschen immer gefüllt. Schließlich erzählte
sie ihrem Hengst, was sie mit ihrem Liebsten erlebt hatte.
Elena freute sich so sehr auf ihr Wiedersehen mit
Thomas. Er war für drei Wochen in einer weit entfernten Stadt, um dort ein
Berufspraktikum zu absolvieren. Das war eine schwere Probe für ihr junges
Glück. Sie waren zum ersten Mal für eine so lange Zeit voneinander getrennt.
Um das Wiedersehen so richtig zu feiern, bereitete
Elena ein romantisches Picknick vor. Sie empfing ihn mit einem großen Korb
voller Leckereien, als er wie vereinbart bei ihr klingelte. Voller Freude
stürmte Elena auf ihren Thomas zu, um ihn in ihre Arme zu schließen, doch
dieser stieß sie von sich.
“Ich bin nur hier, um dir zu sagen, dass es aus ist”,
gab ihr Thomas mit einer ernsten und wütenden Stimme, wie sie es noch nie
erlebt hatte, zu verstehen. Es traf sie tief ins Herz.
“Aber Thomas, was ist denn passiert”, fragte Elena
schockiert, “liebst du mich nicht mehr?”
“Wie soll ich dich noch lieben, wenn du hinter meinem
Rücken mit Kai herummachst?”
“Mit Kai? Wie kommst du denn darauf? Ich habe nichts
mit ihm”.
“Ach nein? Und was sagst du dazu?”
Thomas holte sein Handy aus der Hosentasche, um ihr
auf dem Display ein Foto zu zeigen, auf dem man sah wie sie seinen besten
Freund Kai umarmte.
“Was soll ich da denken?”, schimpfte er.
“Ich kann dir das erklären”, verteidigte sich Elena,
“das war doch ganz anders. Wie kommst du überhaupt an dieses Foto?”
“Das ist doch egal! Das mit uns ist jedenfalls ab
heute vorbei!”
Mehr sagte Thomas nicht. Ohne Elena noch eines Blickes
zu würdigen lief er davon. Elena rannte ihm nach, war aber nicht schnell genug,
um ihn noch zu erreichen. Sie sah noch wie Thomas an der nächsten Haltestelle in
den Bus stieg.
“Ich habe Kai tatsächlich in den Arm genommen
Sunlight, aber doch nur um ihn zu trösten, weil seine Oma gestorben ist”.
Sunlight blies erneut Luft durch seine Nüstern und
schüttelte leicht den Kopf. Elena verfiel in Schweigen. Sie dachte an das Foto.
Wer hatte das Foto geschossen und an Thomas versendet? Wer würde ihr das antun?
Was hatte dieser Jemand überhaupt davon?
Elana beschloss, dass sie nicht weiter hier
herumstehen und heulen durfte. Sie musste unbedingt herausfinden, was es mit
diesem Foto auf sich hatte.
“Danke Sunlight, dass du für mich da bist”, sagte sie
schließlich, “du hast mir neue Kraft gegeben. Diese Kraft nutze ich jetzt, um
das mit dem Foto aufzuklären. Ich werde mir Thomas zurückholen. Es darf so
einfach nicht enden”.
Elena schlang noch einmal die Arme um ihren treuen
Hengst.
“Jetzt muss ich fort, ich habe dich lieb Sunlight”.
Sunlight wurde plötzlich unruhig. Er löste sich und
galoppierte im Kreis um seine Weide, kehrte zurück und stieß Elena mit seinem
Kopf vor die Brust.
“was ist denn jetzt los?”
“Wusste ich doch, dass ich dich hier bei Sunlight
finde”.
“Thomas, bist du das?”
Elena wandte sich um und stellte fest, dass Thomas
hinter ihr stand.
“Elena, es tut mir furchtbar leid. Ich habe mit Kai
gesprochen. Er hat mir alles erzählt. Dass er traurig war wegen seiner Oma.
Elena, ich bin so ein Trottel. Das Foto hat Katja mir geschickt. Ich hätte es
wissen müssen. Sie wollte mich zurück. Sie hat euch beide zusammen gesehen und
die Gelegenheit genutzt. Kannst du mir noch einmal verzeihen? Ich liebe dich
doch”.
Elena spürte leichte Wut in sich aufsteigen. Ein wenig
auf Thomas und ganz viel auf Katja. Aber sie war auch glücklich, dass Thomas so
schnell zu ihr zurückgekommen war.
“Was sagst du Sunlight”, fragte sie ihren Hengst,
“verdient er noch eine Chance?”
Der Hengst schubste sie mit seiner Schnauze in
Richtung Thomas. Elena schlang die Arme um ihren Liebsten. Sie war
überglücklich.
“Mach sowas nie wieder mit mir, verstanden?”, bat
Elena, “ich liebe dich”. Elena und Thomas überhäuften einander mit Küssen und
bemerkten nicht einmal das Sunlight versuchte in der Jacke des Jungen
Zuckerstückchen zu finden.